Fristlose Entlassung wegen schwerwiegender Verfehlung (außerordentliche Kündigung)
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Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer fristlos entlassen, wenn dieser eine Verfehlung begangen hat, aufgrund derer sich das Aufrechterhalten des Arbeitsverhältnisses endgültig und sofort unmöglich gestaltet. Diese Art der Kündigung stellt für den Arbeitnehmer eine härtere Sanktion dar als die Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist.
Im Falle einer Entlassung wegen schwerwiegender Verfehlung:
- zahlt der Arbeitgeber keine Abfindung;
- kann der Arbeitgeber unter gewissen Umständen vom entlassenen Arbeitnehmer verlangen, die Kosten, die er für dessen Weiterbildung verauslagt hat, zurückzuzahlen.
Betroffene Personen
Die Entlassung wegen schwerwiegender Verfehlung betrifft:
- den Arbeitgeber;
- den Arbeitnehmer mit:
Ordentliche und stellvertretende Betriebsratsmitglieder sowie Gleichberechtigungsbeauftragte und Beauftragte für Gesundheit und Sicherheit dürfen während folgender Zeiträume weder entlassen noch zu einem vorherigen Gespräch geladen werden:
- während der gesamten gesetzlichen Dauer ihres Mandats (5 Jahre);
- während der ersten 6 Monate nach Ablauf oder Beendigung ihres Mandats;
- während der 3 Monate vor den Betriebsratswahlen ab Einreichung ihrer Bewerbung.
Jedes gegen sie eingeleitete Kündigungsverfahren ist nichtig.
Einem Arbeitnehmer, dem ordentlich gekündigt wurde und der während seiner Kündigungsfrist eine schwerwiegende Verfehlung begeht, kann aus diesem Grund außerordentlich gekündigt werden.
Voraussetzungen
Im Vorfeld zu erledigende Schritte
Bevor ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen einer schwerwiegenden Verfehlung entlassen kann, muss er sich vergewissern, dass die vom Arbeitnehmer begangene Verfehlung schwerwiegend genug ist, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Um die Schwere der Verfehlung des Arbeitnehmers beurteilen zu können, muss der Arbeitgeber Folgendes berücksichtigen:
- den Bildungsgrad des Arbeitnehmers;
- seine berufliche Vorgeschichte;
- seine soziale Situation;
- sämtliche Elemente, die einen Einfluss auf die Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers haben können.
Fristen
Frist für den Arbeitgeber, um eine schwerwiegende Verfehlung geltend zu machen
Der Arbeitgeber kann eine schwerwiegende Verfehlung nicht länger als einen Monat ab dem Tag, an dem er davon Kenntnis erlangt hat, geltend machen. Diese Frist:
- ist irrelevant, wenn:
- die Verfehlung des Arbeitnehmers innerhalb dieses Monats zu einer strafrechtlichen Verfolgung geführt hat; oder
- der Arbeitgeber eine frühere Verfehlung geltend gemacht hat, auf die sich eine neue vom Arbeitnehmer begangene Verfehlung stützt;
- wird ausgesetzt im Falle einer krankheits- oder unfallbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers, nachdem der Arbeitgeber Kenntnis von der schwerwiegenden Verfehlung erlangt hat. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer vorübergehend nicht entlassen bis:
- zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit wieder aufnimmt;
- nach Ablauf des Kündigungsschutzes.
Beispiele für die Berechnung der Frist, innerhalb der eine schwerwiegende Verfehlung geltend gemacht werden kann: Wenn der Arbeitgeber:
- am 5. Mai 2020 von der Verfehlung Kenntnis erlangt hat, kann er diese nach dem 5. Juni 2020 nicht mehr geltend machen;
- am 31. Mai 2020 von der Verfehlung Kenntnis erlangt hat, kann er diese nach dem 30. Juni 2020 nicht mehr geltend machen.
Fristen für die Zustellung der Entlassung
Die Fristen für die Zustellung einer außerordentlichen Kündigung hängen vom Personalbestand des Unternehmens ab:
- Bei weniger als 150 Arbeitnehmern kann der Arbeitgeber die Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zustellen.
- Ab 150 Arbeitnehmern:
- muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem Gespräch vor der Entlassung vorladen;
- darf die Zustellung des Entlassungsschreibens:
- frühestens am Folgetag des vorherigen Gesprächs erfolgen;
- spätestens 8 Tage nach dem vorherigen Gespräch erfolgen.
Vorgehensweise und Details
Gespräch vor der Entlassung
Personalbestand des Unternehmens
Beschäftigt ein Unternehmen mindestens 150 Arbeitnehmer, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den betroffenen Arbeitnehmer vor der Entlassung zu einem Gespräch vorzuladen. Hält sich der Arbeitgeber nicht an diese Vorgabe, muss er dem betroffenen Arbeitnehmer möglicherweise eine Entschädigung von maximal einem Monatsgehalt wegen eines Formfehlers zahlen.
Zur Berechnung des Personalbestands ist die Gesamtzahl der Personen heranzuziehen, die in sämtlichen zu einem Konzern gehörenden Gesellschaften beschäftigt sind, zumal der Konzern eine wirtschaftliche und soziale Einheit darstellt.
Vorladung zum vorherigen Gespräch
Der Arbeitgeber muss:
- dem Arbeitnehmer ein Vorladungsschreiben zukommen lassen:
- per Einschreiben; oder
- durch persönliche Aushändigung an den Arbeitnehmer gegen Unterzeichnung:
- einer Empfangsbestätigung; oder
- eines Duplikats des Vorladungsschreibens;
- dem Betriebsrat eine Kopie des Vorladungsschreibens zukommen lassen.
Das Vorladungsschreiben muss folgende Angaben enthalten:
- den Grund der Vorladung, das heißt die beabsichtigte Entlassung des Arbeitnehmers;
- das Datum, die Uhrzeit und den Ort des Gesprächs;
- den Hinweis, dass sich der Arbeitnehmer unterstützen lassen kann von:
- einem anderen Arbeitnehmer des Unternehmens;
- einem Vertreter einer im Betriebsrat des Unternehmens vertretenen Gewerkschaft mit nationaler Tariffähigkeit;
- den Hinweis, dass sich der Arbeitgeber unterstützen lassen kann von:
- einem Mitglied der Belegschaft;
- einem Vertreter eines Arbeitgeberverbands.
Entscheidet der Arbeitgeber, sich beim Gespräch unterstützen oder vertreten zu lassen, eventuell von einem Anwalt, so muss:
- dies im Vorladungsschreiben erwähnt werden;
- dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit ebenfalls eingeräumt werden.
Die Gründe für die Entlassung müssen nicht unbedingt im Vorladungsschreiben angeführt werden, sie müssen aber zum Zeitpunkt der Vorladung gegeben sein.
Ablauf des vorherigen Gesprächs
Das vorherige Gespräch darf frühestens am 2. nicht arbeitsfreien Werktag nach dem Versand des Vorladungsschreibens stattfinden. Ziel des vorherigen Gesprächs ist es:
- den Arbeitnehmer davon in Kenntnis zu setzen, dass er entlassen werden soll;
- ihm die Gründe dafür darzulegen;
- ihm die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern.
Nach dem Gespräch steht es dem Arbeitgeber frei zu entscheiden, ob er den Arbeitnehmer entlassen wird oder nicht.
Anmerkung: In einem Unternehmen mit weniger als 150 Beschäftigten bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, ob er den Arbeitnehmer zu einem vorherigen Gespräch vorlädt. In diesem Fall hat die Nichteinhaltung der Pflicht zu einem vorherigen Gespräch keinerlei Einfluss auf die Rechtsgültigkeit der Kündigung, da das Gespräch nicht verpflichtend ist.
Nichterscheinen des Arbeitnehmers zum vorherigen Gespräch
Es kann 2 Gründe für das Nichterscheinen eines Arbeitnehmers zum vorherigen Gespräch geben:
- Er hat beschlossen, nicht zum Gespräch zu erscheinen: Das Entlassungsverfahren nimmt seinen gewohnten Lauf. Oder:
- Er ist krankgeschrieben: Der Arbeitgeber muss 2 mögliche Situationen in Betracht ziehen:
- Der Arbeitnehmer hat ihn über seine Arbeitsunfähigkeit informiert und/oder hat ihm vor dem Versand des Vorladungsschreibens eine ärztliche Bescheinigung zukommen lassen: Er kann nicht ordnungsgemäß zum vorherigen Gespräch geladen werden.
- Der Arbeitnehmer ist krankgeschrieben und informiert seinen Arbeitgeber bzw. lässt ihm eine ärztliche Bescheinigung zukommen, nachdem er das Vorladungsschreiben erhalten hat: Das Entlassungsverfahren nimmt seinen gewohnten Lauf.
Ausnahme: Im Falle einer Notaufnahme in ein Krankenhaus hat der Arbeitnehmer ab seiner Einlieferung ins Krankenhaus 8 Tage Zeit, um dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung zukommen zu lassen.
Vorsorglicher Ausschluss des Arbeitnehmers von der Arbeit
Bevor der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer entlässt, kann er (mündlich oder schriftlich) einen vorsorglichen Ausschluss von der Arbeit verkünden und dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben später zustellen.
Während des vorsorglichen Ausschlusses:
- ist der Arbeitnehmer davon befreit, am Arbeitsplatz zu erscheinen;
- muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bis zum Tag der Zustellung der Kündigung weiterhin seinen Lohn sowie alle anderen ihm zustehenden Vorteile zahlen.
Im Falle eines vorsorglichen Ausschlusses muss der Arbeitgeber:
- den Arbeitnehmer zu einem vorherigen Gespräch einladen, wenn sein Unternehmen mehr als 150 Arbeitnehmer beschäftigt. Das vorherige Gespräch muss 1 bis 8 Tage nach dem Ausschluss stattfinden;
- ab dem Tag, an dem er Kenntnis von der schwerwiegenden Verfehlung des Arbeitnehmers erlangt hat, eine Frist von einem Monat einhalten, um die Kündigung zuzustellen.
Ist kein vorheriges Gespräch erforderlich, kann die Entlassung innerhalb folgender Fristen erfolgen:
- frühestens am Folgetag des Ausschlusses;
- spätestens 8 Tage nach dem Ausschluss. Diese 8-tägige Frist wird im Falle einer krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers ausgesetzt. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer dann vorübergehend nicht entlassen.
Im Falle von Betriebsratsmitgliedern ist ein Ausschluss unabdinglich, um ein Kündigungsverfahren einzuleiten.
Zustellung der Entlassung an den Arbeitnehmer
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer das Entlassungsschreiben zustellen:
- per Einschreiben; oder
- durch Aushändigung des Schreibens an den Arbeitnehmer, der den Empfang auf einem Duplikat des Schreibens bestätigen muss.
Das Entlassungsschreiben muss:
- genaue Angaben zu der/n dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Verfehlung(en) enthalten;
- in einer Sprache verfasst sein, die der Arbeitnehmer versteht.
Geschuldeter Resturlaub
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer für die zum Zeitpunkt der Entlassung nicht genommenen Urlaubstage bezahlen. Der Arbeitgeber muss daher zusätzlich zum letzten Gehalt eine Ausgleichsentschädigung für nicht genommenen Urlaub an den Arbeitnehmer zahlen.
Auflösung des Arbeitszeitkontos
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer für die auf dem Arbeitszeitkonto verbleibenden Urlaubstage/-stunden eine Ausgleichsentschädigung zahlen.
Erstattung der Weiterbildungskosten
Der Arbeitgeber kann vom entlassenen Arbeitnehmer die Zurückzahlung der für berufliche Weiterbildung verauslagten Kosten verlangen, vorausgesetzt:
- die Weiterbildungen wurden im Rahmen eines Fortbildungsplans organisiert;
- der Arbeitgeber hat einen Kofinanzierungsantrag für die besagten Weiterbildungen eingereicht;
- die Kosten sind im laufenden Geschäftsjahr oder in den 3 vorhergehenden Geschäftsjahren entstanden.
Dies betrifft hauptsächlich Fortbildungen des Typs Master, MBA usw.
Die Kostenerstattung darf insgesamt:
- 100 % der während des laufenden und des vorhergehenden Geschäftsjahres verauslagten Weiterbildungskosten betragen;
- 60 % der während des 2. vorhergehenden Geschäftsjahres verauslagten Weiterbildungskosten betragen;
- 30 % der während des 3. vorhergehenden Geschäftsjahres verauslagten Weiterbildungskosten betragen.
Von diesen Kosten werden jedoch folgende Beträge in Abzug gebracht:
- die Beträge, die der Arbeitgeber jedes Geschäftsjahr im Rahmen eines Kofinanzierungsantrags erhalten hat;
- für jedes Geschäftsjahr ein gesetzlicher Freibetrag von 1.240 Euro.
Um jeglichen Rechtsstreit zu vermeiden, kann der Arbeitgeber die zu erstattenden Beträge sowie die Erstattungsmodalitäten im Arbeitsvertrag oder gegebenenfalls in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag genau festhalten.
Online-Dienste und Formulare
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L-2361
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