Prozesskostenhilfe (Rechtsbeistand)
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Um Personen mit unzureichendem Einkommen den Zugang zur Justiz zu ermöglichen, stellt der luxemburgische Staat ihnen einen vollständig oder teilweisen unentgeltlichen Rechtsbeistand für die Verteidigung ihrer Interessen in Luxemburg zur Verfügung.
Diese Hilfe wird vom Rat der Anwaltskammer (Ordre des avocats) von Luxemburg und der von Diekirch gewährt. Falls erforderlich eröffnet sie den Anspruch auf die Dienste eines Anwalts und jeder sonstigen Person der Rechtspflege (Notar, Gerichtsvollzieher usw.).
Die Prozesskostenhilfe wird gewährt:
- in gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten;
- in Angelegenheiten der freiwilligen und der streitigen Gerichtsbarkeit;
- sowohl Klägern bzw. Antragstellern als auch Beklagten bzw. Antragsgegnern;
- in Disziplinarverfahren;
- wenn der Empfänger in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht ist.
Sie gilt für jedes Verfahren vor einer ordentlichen Gerichtsbarkeit, einer Verwaltungsgerichtsbarkeit oder einer Sozialgerichtsbarkeit. Sie erstreckt sich auf sämtliche Kosten im Zusammenhang mit den Instanzen, Verfahren oder Urkunden, für die sie bewilligt wurde.
Betroffene Personen
Die Prozesskostenhilfe kann folgenden Personen bewilligt werden:
- jeder Person mit rechtmäßigem Wohnsitz oder Aufenthalt in Luxemburg (mit Aufenthaltserlaubnis);
- jedem ausländischen Staatsangehörigen, der gemäß einem internationalen Abkommen luxemburgischen Staatsangehörigen in Sachen Prozesskostenhilfe gleichgestellt ist;
- jedem Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die Einforderung der geschuldeten Vergütung gemäß Arbeitsgesetzbuch (Code du travail);
- jedem ausländischen Staatsangehörigen, dessen finanzielle Mittel für Verfahren in Sachen Asylrecht, Einreise, Aufenthalt, Niederlassung und Abschiebung von Ausländern unzureichend sind.
Hinweis: Die Prozesskostenhilfe kann sowohl Erwachsenen als auch Minderjährigen bewilligt werden.
Grenzüberschreitende Streitigkeiten
Bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten kann eine Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Luxemburg zu Zwecken der Rechtsberatung, einschließlich der Vorbereitung der Akte in Bezug auf einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat einzureichenden Antrag auf Prozesskostenhilfe, in den Genuss der Prozesskostenhilfe gelangen.
Gleichermaßen können ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat, mit Ausnahme von Dänemark, im Falle von grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten ebenfalls in den Genuss von Prozesskostenhilfe in Luxemburg gelangen. Sie müssen jedoch den entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde ihres Landes stellen, die die Informationen dann an das luxemburgische Ministerium der Justiz weiterleitet.
Voraussetzungen
Begriff der unzureichenden finanziellen Mittel
Die Beurteilung der unzureichenden finanziellen Mittel erfolgt unter Berücksichtigung Ihres gesamten Bruttoeinkommens und Ihres Vermögens sowie des Einkommens und Vermögens der mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden erwachsenen Personen.
Die finanziellen Mittel der mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen werden nicht berücksichtigt:
- wenn Sie in dem Verfahren Ihrem Ehepartner oder gewöhnlich in Ihrem Haushalt lebenden Personen gegenüberstehen; oder
- wenn zwischen Ihnen und Ihrem Ehepartner oder gewöhnlich in Ihrem Haushalt lebenden Personen ein Interessenkonflikt besteht, der eine gesonderte Beurteilung der finanziellen Mittel erfordert.
Als Personen mit unzureichenden finanziellen Mitteln gelten:
- Empfänger des Einkommens zur sozialen Eingliederung (REVIS), dies innerhalb der gesetzlichen Grenzen;
- Personen, die nicht das REVIS beziehen, aufgrund ihrer finanziellen Situation (Einkommen und Vermögen) aber dennoch Anspruch auf REVIS hätten, wenn die anderen gesetzlichen Bedingungen zum Erhalt dieses Einkommens erfüllt wären;
- Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Empfänger des REVIS leben und deren Einkommen und Vermögen bei der Berechnung des REVIS berücksichtigt wurden.
Sonderfälle
Ihnen kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn:
- Sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, jedoch ernstzunehmende Gründe bezüglich Ihrer sozialen, familiären oder materiellen Situation vorliegen, die die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen;
- Sie:
- Ihren Wohnsitz oder Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben; und
- nachweisen, dass Sie aufgrund des Unterschieds zwischen den Lebenshaltungskosten in Ihrem Wohnsitzland und jenen in Luxemburg nicht in der Lage sein werden, die Kosten eines Rechtsstreits in Luxemburg zu tragen;
- Sie minderjährig sind, unabhängig von den finanziellen Mitteln Ihrer Eltern oder der Personen, die mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben.
Ablehnung der Prozesskostenhilfe
Die Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, wenn:
- die Klage offensichtlich unzulässig, unbegründet, missbräuchlich oder aufgrund ihres Gegenstands unverhältnismäßig in Bezug auf die zu verauslagenden Kosten erscheint;
- Sie berechtigt sind, von einem Dritten die Erstattung der durch die Prozesskostenhilfe abzudeckenden Kosten zu erhalten (zum Beispiel seitens einer juristischen Beratung, einer Gewerkschaft usw.);
- Sie Kaufmann, Industrieller, Handwerker oder Freiberufler sind und der Rechtsstreit Ihre berufliche Tätigkeit betrifft.
Fristen
Sie können die Prozesskostenhilfe entweder vor Beginn oder im Laufe des Verfahrens beantragen, für das Sie sie benötigen.
Wird Ihnen die Prozesskostenhilfe bewilligt, so gilt sie rückwirkend zum Tag der Verfahrenseinleitung oder zu einem anderen vom Vorsitzenden der Anwaltskammer zu bestimmenden Datum.
Kosten
Die Beantragung von Prozesskostenhilfe ist kostenlos.
Wird Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt oder nur teilweise bewilligt, so müssen Sie das Honorar Ihres Anwalts sowie die Gerichtskosten ganz bzw. teilweise selbst tragen.
Vorgehensweise und Details
Antragstellung
Sie müssen den Antrag auf Prozesskostenhilfe ausfüllen und unterschreiben. Dieser ist erhältlich:
- unten auf dieser Seite (siehe „Online-Dienste und Formulare“);
- beim Zentralen Sozialamt (Service central d’assistance sociale); oder
- auf der Website der Anwaltschaft von Luxemburg (Barreau).
Anschließend müssen Sie ihn an den Vorsitzenden der örtlich zuständigen Anwaltskammer (Diekirch oder Luxemburg) senden.
Hinweis: Falls Sie sich in Polizeigewahrsam oder in Untersuchungshaft befinden, übermittelt Ihr Anwalt bzw. der Untersuchungsrichter Ihren Antrag an den Vorsitzenden der Anwaltskammer.
Sie können den Namen des oder der Anwälte angeben, deren Dienste Sie gerne in Anspruch nehmen würden.
Belege
Sie müssen Ihrem Antrag folgende Dokumente beifügen:
- eine Kopie Ihres Identitätsnachweises;
- für Sie selbst und jedes erwachsene Mitglied Ihres Haushalts:
- einen Sozialversicherungsnachweis der Zentralstelle der Sozialversicherungen (Centre commun de la sécurité sociale - CCSS);
- die Lohnzettel (oder eine Verdienstbescheinigung der CCSS) oder Bescheinigungen über die Auszahlung des REVIS oder des Arbeitslosengelds oder Pensions-/Rentenbescheinigungen oder sonstige Einkommensbescheinigungen der letzten 3 Monate, in denen die Bruttobeträge angegeben sind (Bankauszüge sind nicht ausreichend);
- eine Negativbescheinigung des Nationalen Solidaritätsfonds (Fonds national de solidarité - FNS);
- eine von der Steuerverwaltung (Administration des contributions directes - ACD) ausgestellte Bescheinigung über den Besitz einer Immobilie bzw. darüber, dass kein Immobilienbesitz vorhanden ist;
- falls Sie zur Miete wohnen: eine Kopie des Mietvertrags und Quittungen über die Mietzahlungen der letzten 3 Monate;
- falls Sie ein Immobiliendarlehen tilgen: einen Zahlungsbeleg über die Monatsrate;
- eine Kopie des Rechtsschutzversicherungsvertrags;
- Belege betreffend die jeweilige Streitsache.
Sonderfälle
Falls Sie Haftinsasse sind, müssen Sie Ihrem Antrag folgende Unterlagen beifügen:
- die Haftbescheinigung;
- Belege betreffend die jeweilige Streitsache.
Falls Sie Flüchtling oder Asylbewerber sind, müssen Sie Ihrem Antrag folgende Unterlagen beifügen:
- eine Kopie Ihres Identitätsnachweises (falls möglich);
- die Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf internationalen Schutz für jede vom Antrag betroffene Person oder ansonsten jeden anderen Beleg, der die Einreichung eines Antrags auf Regularisierung in Luxemburg bescheinigt;
- im Falle einer Unterbringung in einem Abschiebezentrum (Centre de rétention) die Bescheinigung über diese Unterbringung;
- Belege betreffend die jeweilige Streitsache.
Modalitäten der Kostenübernahme
Bewilligung
Wenn Ihre Mittel nicht ausreichend sind, wird Ihnen per einfachem Brief eine Entscheidung über die Bewilligung der vollständig unentgeltlichen Prozesskostenhilfe zugesandt.
Der gewählte Anwalt wird bestellt. Falls Sie keinen Anwalt gewählt haben oder der Vorsitzende der Anwaltskammer Ihre Wahl für unangemessen hält, wird Ihnen ein Anwalt zugeteilt.
Falls Ihnen die Prozesskostenhilfe im Laufe des Verfahrens bewilligt wird, werden Ihnen die bereits entstandenen Kosten je nach Sachlage ganz oder teilweise erstattet.
Die Prozesskostenhilfe kann ebenfalls für Sicherungsmaßnahmen sowie die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen oder sonstigen Vollstreckungstiteln gewährt werden.
In dringenden Fällen kann ohne weitere Formalitäten die vorläufige Bewilligung der Prozesskostenhilfe verkündet werden.
Ablehnung der Prozesskostenhilfe oder Bewilligung einer teilweisen Prozesskostenhilfe
Im Falle der Ablehnung der Prozesskostenhilfe oder der bedingten Bewilligung einer teilweisen Prozesskostenhilfe wird Ihnen die Entscheidung per Einschreiben zugesandt.
Teilweise Prozesskostenhilfe
In diesem Fall wurde bezüglich Ihrer finanziellen Mittel Folgendes festgestellt:
- Sie überschreiten die Obergrenze, bis zu der eine vollständig unentgeltliche Prozesskostenhilfe bewilligt wird; jedoch
- gestatten sie eine teilweise Übernahme (50 % oder 25 %) der mit Ihrem Gerichtsverfahren verbundenen Anwaltshonorare oder Gerichtskosten.
Damit Ihnen die teilweise Prozesskostenhilfe definitiv gewährt wird, müssen Sie mit dem bestellten Anwalt eine Honorarvereinbarung abschließen. In dieser Vereinbarung wird Folgendes festgelegt:
- der Stundensatz des Anwalts für den von Ihnen zu tragenden Anteil der Kosten;
- die Zahlungsmodalitäten; und
- der Stundensatz des Anwalts, der im Falle einer vollständigen oder teilweisen Aberkennung der teilweisen Prozesskostenhilfe zur Anwendung kommt.
Diese Honorarvereinbarung muss:
- von Ihnen und Ihrem bestellten Anwalt unterzeichnet werden; und
- innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung der Entscheidung über die Bewilligung der teilweisen Prozesskostenhilfe an den Vorsitzenden der Anwaltskammer gesendet werden.
Nicht übernommene Kosten
Die Prozesskostenhilfe deckt Folgendes nicht ab:
- in Strafsachen: die zu Ihren Lasten verhängten Kosten und Geldstrafen;
- in Zivilsachen: die Verfahrensentschädigungen und die Entschädigungen wegen missbräuchlichen und schikanösen Verfahrens.
Aberkennung
Die Prozesskostenhilfe wird Ihnen aberkannt – dies kann auch nach Abschluss des Verfahrens oder der Handlungen geschehen, für das bzw. die sie gewährt wurde –, falls:
- sie mithilfe unrichtiger Angaben oder Belege erlangt wurde;
- sich Ihre finanzielle Situation verbessert hat und die Bedingung der unzureichenden finanziellen Mittel nicht mehr erfüllt ist.
Die Aberkennung der Prozesskostenhilfe zieht eine unverzügliche Zurückzahlung der Hilfen jeglicher Art nach sich, in deren Genuss Sie gelangt sind.
Rechtsbehelfe
Wird Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt oder nur teilweise bewilligt, können Sie Klage vor einem Friedensrichter einreichen:
- innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung der Entscheidung des Vorsitzenden der Anwaltskammer;
- durch Einreichung eines schriftlichen Antrags (Klage) bei der Geschäftsstelle des für ihren Wohnsitzort zuständigen Friedensgerichts, und zwar je Streitpartei ein Exemplar.
Hinweis: In Ermangelung eines Wohnsitzes oder eines Aufenthalts in Luxemburg ist das Friedensgericht Luxemburg örtlich zuständig.
In Ihrer Klage müssen Sie:
- Namen, Vornamen, Beruf und Wohnort der Parteien angeben;
- die zur Bekräftigung Ihrer Klage herangezogenen Gründe kurz schildern; und
- den Gegenstand der Klage genau erläutern.
Sie werden dann zu einer Anhörung vor dem Friedensgericht vorgeladen, und es wird ein Urteil erlassen. Gegen dieses Urteil können Sie keine Berufung einlegen.
Online-Dienste und Formulare
Zum Download bereitgestellte Formulare
Hinweis: Lesen Sie die Anleitung zur Verwendung von PDF-Formularen.
Zuständige Kontaktstellen
-
Anwaltskammer Luxemburg und Diekirch Anwaltskammer Luxemburg
- Adresse:
- 45, allée Scheffer L-2520 Luxemburg
- Telefon:
- (+352) 46 72 72 1
- E-Mail:
- info@barreau.lu
- Website:
- https://www.barreau.lu/
-
Anwaltskammer Luxemburg und Diekirch Anwaltskammer Diekirch
- Adresse:
- Postfach 68 / L-9202 Diekirch
- E-Mail:
- info.diekirch@barreau.lu
Verwandte Vorgänge und Links
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Weitere Informationen
sur le site du Barreau de Luxembourg
Rechtsgrundlagen
-
Directive 2002/8/CE du Conseil du 27 janvier 2003
visant à améliorer l’accès à la justice dans les affaires transfrontalières par l’établissement de règles minimales communes relatives à l’aide judiciaire accordée dans le cadre de telles affaires
-
Loi du 7 août 2023
portant organisation de l’assistance judiciaire et portant abrogation de l’article 37-1 de la loi modifiée du 10 août 1991 sur la profession d’avocat
-
Loi du 18 août 1995
concernant l’assistance judiciaire
-
Loi modifiée du 10 août 1991
sur la profession d’avocat
-
Règlement grand-ducal du 29 octobre 2004
portant modification du règlement grand-ducal du 18 septembre 1995 concernant l’assistance judiciaire
-
Règlement grand-ducal modifié du 18 septembre 1995
concernant l’assistance judiciaire
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